Dienstag, 30. Juni 2015 ( 25. Juni, Werkstatt )
Die Werkstattbühne des Stadttheaters war ein ganz besonderer Veranstaltungsort, das merkte man gleich an der feinen Dekoration, die uns Gäste gleich in eine andere Welt versetzte. Ein Baum wuchs auf der Bühne und warf die Schatten seiner wunderlichen Blätter in bizarren Mustern auf die hohe Wand hinter uns. So verzaubert begann die etwas andere Annäherung an das große Pappelunglück. Eine Schauspielerin stimmte uns mit einem sehr besinnlichen Baumgedicht von Hermann Hesse auf das Thema ein.
Der Schriftsteller Hans-Peter Wieland las die dramatische Geschichte eines kleinen Holzbockes, bekannt als Zecke, der Menschen in Panik versetzt, dem man aber nur in die Augen blicken muss, um zu sehen, wie ängstlich er doch selber ist. Jürg Bregenzer vom Ekkharthof, nebenbei Philosoph und Dichter, ließ uns an seinen Erfahrungen mit einem schwer behinderten Kind teilhaben, und was er daraus fürs Leben gelernt hatte. Jost Rüegg, Kantonsrat aus dem Thurgau verglich die Hybridpappel, die unter Biologen und Baumpflegern als „nicht heimische Pappelart“ gilt, mit den ebenfalls 1955 eingewanderten italienischen „Gastarbeitern“, ohne die man sich die Schweiz heute nicht mehr vorstellen könne und der Baumspezalist Andres Storrer aus Frauenfeld gab zu, manchmal doch ein heimliches Vergnügen darin zu verspüren, wenn nach harter Säge-Arbeit der Baum ganz langsam fällt und er dann in diesem letzten Augenblick eine Art Windhauch verspüre. Ein Gast nahm dieses Bekenntnis auf und erzählte von eben diesem Windhauch, der auch für ihn an dem Morgen, als die Fällung begonnen hatte, zu spüren gewesen war. Er dachte dabei an Stefan Georges Gedicht „Entrückung“, wo es heißt: „Ich fühle Luft von anderen Planeten“. Und was fühlte er? „Da starb ein Lebewesen.“
Der Intendant Christoph Nix moderierte den Abend mit Leidenschaft und ganz eigenen Gedankenspielen, so dass den Diskutanten auf dem Podium und den Gästen im Publikum der Gedankenstrom nicht eine Sekunde ins Stocken geriet. Es war ein sehr philosophischer Abend, eine ruhige Insel im wilden Strom der Auseinandersetzung um die Pappelallee im Tägermoos.
Wir sind den Helfern und dem Intendanten des Stadttheaters zu großem Dank verpflichtet.